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15.-21.3.20


Christus nachfolgen – auch in der Familie!

Lukas 9,62


Dies ist ein hartes Wort. Jesus sagt es zu jemandem, der sich bereit erklärt, ihm nachzufolgen, der aber zuvor noch Abschied nehmen möchte von seiner Familie. Es ist ein hartes Wort, weil es die Bindung an die Familie in einen schroffen Gegensatz stellt zur Bindung an Jesus. Entweder-oder – das eine schließt das andere aus.

Vielleicht spielt dieser Satz auch eine Rolle für die Begründung des Zölibats für katholische Priester. Damit sie sich ganz ihrer einen Aufgabe widmen können, der kirchlich-gemeindlichen Arbeit, sollen sie von allen anderen Bindungen frei sein, und das heißt auch von allen emotionalen Bindungen und von persönlichen, privaten Verpflichtungen. 

Es ist nicht zu bestreiten, dass in evangelischen Pfarrhäusern oftmals ein Konflikt besteht zwischen der Hingabe an die Arbeit und der Hingabe an die Familie. Es gibt diesen Konflikt aber grundsätzlich überall dort, wo jemand seinen Beruf ernst nimmt. Dort können stets die familiären Bindungen zu einem Problem werden. Nicht wenige scheitern an diesem Problem. 

Das Entweder-oder kann keine Lösung sein. Wir wollen und können nicht alle katholische Priester sein. Wir müssen die Nachfolge Jesu mit und in unseren menschlichen Beziehungen versuchen. Das geht nur, wenn wir die Nachfolge Jesu als Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen begreifen.

Wie wir aus der Darstellung vom Weltgericht in Matthäus 25 lernen können, begegnet uns Christus heute in jedem leidenden, hilfs- und liebebedürftigen Mitmenschen. Und solche sind wir alle. Christus begegnet uns auch in unseren Familienangehörigen, wie meine Frau zu mir des öfteren sagte: „Ich zähle auch zu deinen Gemeindegliedern.“ Christus begegnet uns auch in unseren Ehepartnern, in unseren Kindern, unseren Angehörigen – auch sie sind unsere Nächsten. Und wir sollen auch sie nicht vernachlässigen. Auch in der Hingabe zu ihnen vollzieht sich Nachfolge.

Der Konflikt, der in unserem Wochenspruch angedeutet ist, könnte nun besser folgendermaßen beschrieben werden: Als Konflikt zwischen der Bindung an die Menschen in unserer Familie und unserem Freundeskreis einerseits und denen außerhalb unserer engsten persönlichen Beziehungen andererseits. 

Wer in dem außenstehenden Nächsten vor allem den Fremden sieht, der ihn vergleichsweise wenig angeht, dem eine untergeordnete Bedeutung zukommt und den man weniger zuvorkommend behandeln kann, als den uns ganz persönlich verbundenen Menschen, der ignoriert, dass wir durch Jesus Christus alle zu Schwestern und Brüdern untereinander verbunden sind. Liebe und Nächstenliebe, die so oft als Gegensätze behandelt werden, werden in Jesus Christus fast deckungsgleich. Damit ist unserem Handeln Ziel und Richtung gewiesen.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, am 20.3.2001)

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