Predigt, Predigten, Predigtsammlung, Bibelauslegung, Andachten, Morgenandachten, Wochenspruch, Wochensprüche, Hoheluft, Hamburg-Hoheluft, Wolfgang Nein, St. Markus

2. Sonntag nach Epiphanias (19.1.20)


Werbung für den christlichen Glauben?

15. Januar 2006

2. Sonntag nach Epiphanias

1. Korinther 2,1-10


Um welches Thema geht es in diesem Text? Es geht um die Weitergabe des christlichen Glaubens, und zwar um die dem christlichen Glauben angemessene Art seiner Weitergabe.

Bevor ich auf den Predigttext zurückkomme, möchte ich vorweg einmal die Frage stellen, ob man für den christlichen Glauben eigentlich werben kann? Werben mit den Mitteln der Werbeindustrie, wie wir das heutzutage kennen?

Vermutlich wird keiner von uns uneingeschränkt „Ja“ sagen. Wir wissen ja, wie das mit der Werbung in der Regel geht. Da wird ziemlich dick aufgetragen und übertrieben. Da werden Gefühle in uns angesprochen, die, wenn die Werbung - in Anführungszeichen – „gut“ ist, uns dazu verleiten können, etwas zu kaufen, was wir weder brauchen noch wirklich gut finden.

Bei der Weitergabe des christlichen Glaubens geht es durchaus auch darum, Menschen zu etwas Neuem zu bewegen, z. B. das Leben aus einer neuen Perspektive zu betrachten, den Menschen und das ganze Dasein überhaupt neu zu sehen und sich eine neue Verhaltensweise gegenüber dem Mitmenschen und gegenüber der Schöpfung zuzulegen und das eigene Leben neu zu gestalten, z. B. Gottesdienstbesuche mit einzuplanen.

Die Frage ist, ob für diesen Zweck, nämlich für die Weitergabe des christlichen Glaubens, die Werbung im üblichen Sinne ein angemessenes Mittel sein könnte.

Um die Weitergabe des christlichen Glaubens - damals vor fast 2000 Jahren - hat sich besonders der Apostel Paulus verdient gemacht. Paulus sagt in diesem kleinen Abschnitt etwas über die Art und Weise, wie er den christlichen Glauben in der griechischen Gemeinde in Korinth verbreitet hat. Nach seiner Auffassung kann man den christlichen Glauben nicht auf jede beliebige Art weitergeben, wenn man ihm von seinem Wesen her gerecht werden möchte. Was Paulus nämlich bewusst nicht gemacht hat, ist dies: Er hat nicht versucht, seine Mitmenschen mit den Mitteln menschlicher Weisheit zu überreden.

Wenn man versucht, die Leute zu überreden, so sagt Paulus, kann der neue Glaube in den Menschen nicht aus der Kraft Gottes wachsen. Dann entspringt der Glaube nämlich der menschlichen Weisheit und nicht der göttlichen Weisheit.

Menschliche Weisheit - göttliche Weisheit: Was ist da der Unterschied? Ich versuche mal, es kurz und vorläufig zu sagen: Eine Einstellung wie „Jeder ist sich selbst der Nächste“ könnte ein Beispiel für menschliche Weisheit sein. Aber „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ oder, wie wir vorhin aus dem Römerbrief gehört haben: „Segnet, die euch verfolgen“, das klingt doch eher nach göttlicher Weisheit - oder?

Wie kann es dazu kommen, dass sich einer, der sich von dem Satz „Jeder ist sich selbst der Nächste“ hat leiten lassen, sich nun leiten lässt von dem Satz „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ oder von dem Satz „Segnet, die euch verfolgen“?

Wenn wir andere dazu bewegen wollen, sich in ihrem Innersten zu verändern, werden wir versuchen, sie zu überzeugen, nicht zu überreden. Überreden hat etwas Oberflächliches, nichts, was in die Tiefe geht. Überzeugen hat nicht nur mit Worten, sondern, wie es der Begriff andeutet, mit einem Zeugnis zu tun, mit der ganzen Person. Wenn jemand z. B. als Zeuge vor Gericht im Zeugenstand steht, dann kann er nicht nur einfach daherreden. Er muss mit seiner ganzen Person für das einstehen, was er sagt. Wenn er nachweislich Falschaussagen macht, kann er dafür ggf. bestraft werden.  

Paulus hat sich bei der Weitergabe des christlichen Glaubens im wahrsten Sinne des Wortes „mit Leib und Seele“ eingesetzt. Er hat es mit seiner ganzen Person getan.

Dabei hat er nicht den starken Mann gespielt, sondern hat sich als der schwache Mensch dargestellt, der er eben war. Das war für ihn wichtig: dass die Menschen nicht durch äußerlichen Glanz seiner Person zum Glauben kommen sollten. Sie sollten durch seine innere Kraft überzeugt werden, die er nicht als seine eigene höchstpersönliche Kraft verstanden wissen wollte, sondern als die Kraft Gottes.

„Als schwacher Mensch trat ich vor euch und war voller Angst und Sorge. Mein Wort und meine Botschaft wirkten nicht durch Redekunst und Gedankenreichtum, sondern weil Gottes Geist darin seine Kraft erwies. Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf Gottes Kraft“, sagt Paulus.

Den Widerspruch zwischen seiner schwachen äußerlichen Erscheinung als Mensch und seiner starken Botschaft hielt Paulus für die Weitergabe des christlichen Glaubens sogar für besonders angemessen und überzeugend.

Denn als den Kern seiner Botschaft bezeichnet er hier „Jesus Christus, den Gekreuzigten“. Und den Gekreuzigten zu verkündigen, setzt schon eine besondere Art voraus. Ob das mit äußerem Glanz und schönen Worten überhaupt ginge, ist zumindest eine Frage, die Paulus hier aufwirft.

Wir haben jetzt gerade Weihnachten hinter uns und schon klingt hier das Passionsthema an. Über der Krippe hängt das Kreuz. Weihnachten ist für uns ein glanzvolles Fest. Da kann die äußere Dekoration und da können die Worte gar nicht schön genug sein, um zu beschreiben, wie der Himmel in der Gestalt des Christkindes auf die Erde kommt. Da jubelt die Schar der Engel, ein Stall verwandelt sich in einen Königspalast und weitgereiste Weise bringen kostbare Geschenke. 

Die Passionszeit dagegen - die Karwoche insbesondere - ist in unseren Breiten stimmungsmäßig und dekorationsmäßig sehr verhalten. In südlichen katholischen Gegenden, in Sevilla in Spanien zum Beispiel, ist das ganz anders. Was wohl der Apostel Paulus dazu sagen würde, wenn er die prunkvollen Darstellungen der Passionsgeschichte bei den Umzügen durch die Altstadt von Sevilla und in anderen Städten miterleben könnte?

Man könnte auch die Frage stellen, was Paulus sagen würde, wenn er die schöne Musik z. B. der Bach’schen Matthäuspassion hören und erleben würde, wie das Leiden und Sterben Christi in höchsten Stufen der Ästhetik dargeboten wird?

Paulus weist ja - zumindest für sich selbst, so dürfen wir seine Worte im heutigen Text wohl auslegen – die Mittel der Ästhetik, das schöne, kraftvolle Erscheinen und das schöne, gewandte Reden als Mittel der Verkündigung von sich.

Vielleicht würde er dann aber doch sagen: Auch die Mittel des Schönen und Glanzvollen können hilfreich und vielleicht sogar nötig sein, um etwas von der Herrlichkeit Gottes spürbar werden zu lassen.

Paulus will ja die Weisheit und Herrlichkeit Gottes, die allerdings anders sind als die Weisheit und Herrlichkeit des Menschen, erfahrbar werden lassen. Wie kann das aber durch uns geschehen, da uns doch nur die Mittel dieser Welt zur Verfügung stehen?

Paulus nutzt als Mittel der Verkündigung die Spannung zwischen seinem schwachen Äußeren und bescheidenen Reden einerseits und der Großartigkeit seiner Botschaft andererseits. Er versucht, an sich selbst die Spannung nachzugestalten, die ja auch besteht zwischen dem wie ein Verbrecher gekreuzigten Christus einerseits und dem zur himmlischen Herrlichkeit erhobenen Sohn Gottes andererseits.

Diese Spannung - Gekreuzigter hier, himmlischer König da - mag manchen als Zeichen der Widersprüchlichkeit und Unglaubwürdigkeit des Christlichen erscheinen. Aber was den einen als Torheit des Kreuzes erscheint, mag sich den anderen als die Weisheit Gottes offenbaren, die eben anders ist als die Weisheit dieser Welt.

Um nun auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Wie kann uns diese Weisheit Gottes vermittelt werden? Kann dies auch durch die Mittel der Werbung geschehen? Durch Ästhetik? Worauf käme es an?

Um das Besondere der göttlichen Weisheit erfahrbar werden zu lassen, müssten uns die Augen und Ohren und unser Herz geöffnet werden zum Beispiel für die Schönheit im Unansehnlichen, für das Liebenswerte im Lieblosen, für den Frieden im Unfrieden, für die Gnade in der Gnadenlosigkeit, für das Hoffnungsvolle im scheinbar Hoffnungslosen.

Wenn dafür auch die Mittel der Werbung eingesetzt werden sollten, müsste dies wohl etwas anders als üblich geschehen.

Vielleicht so ähnlich wie in den Fernsehwerbespots für „Das Glückslos der ARD - ein gutes Los für alle“. Vielleicht haben Sie die mal gesehen. Es sind geistig behinderte Menschen, die die frohe Botschaft vom Gewinn überbringen. Das ist so liebevoll gemacht, dass einem dabei das Herz aufgehen kann.

Es sind schwache, geistig behinderte Menschen, die die frohe Botschaft überbringen. Man spürt ihnen an, dass sie in ihrer Schwachheit aber voller Freude und Lebenskraft sind. Ihre Schwachheit spielt in dem Augenblick keine Rolle mehr, wo sie den Koffer mit dem gewonnenen Geld öffnen. Da sind Gewinner und Überbringer in der Freude eins.

Paulus könnten wir hier mit den geistig behinderten Menschen vergleichen und seine frohe Botschaft mit dem, was im Koffer ist. Im Koffer der Werbespots ist Geld, ein materieller Wert. Paulus hat in seinem Koffer geistige und geistliche Werte: Glaube, Hoffnung, Liebe, den gekreuzigten Christus.

Und der Koffer ist praktisch er selbst, denn die Botschaft, die er zu überbringen hat, ist in ihm enthalten, in seinem Glauben, Denken, Handeln, in seiner ganzen Person.

Diese Werbespots sind ein Beispiel für die Spannung, auf die es Paulus ankommt: die Spannung zwischen der äußerlichen Erscheinung des Überbringers der frohen Botschaft und der frohen Botschaft selbst.

Das also hätte ein Werbespot zu schaffen, anschaulich darzustellen, wie sich Paulus als äußerlich schwacher Mensch öffnet und wie diejenigen, zu denen er geht, in ihm, Paulus, den verborgen Schatz der Botschaft Gottes in Christus entdecken.

Diese Art der Vermittlung des Glaubens auf dem Weg eines persönlichen Zeugnisses setzt auf Seiten des Zuhörers und Betrachters Augen und Ohren der Liebe und ein aufgeschlossenes Herz voraus, außerdem die Hilfe des Geistes Gottes, wie Paulus das selbst erlebt hat und wie wir es für uns nur wünschen und erbitten können.

(Predigt in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 15. Januar 2006)

wnein@hotmail.de    © Wolfgang Nein 2013