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3. Sonntag nach Epiphanias (21.1.24)


Glaube und Krankheit

25. Januar 2009

3. Sonntag nach Epiphanias

Matthäus 8,5-13


Es geht heute um den Glauben, und zwar insbesondere um den Glauben an Jesus Christus. Im Evangelium des Matthäus wird der Glaube des Hauptmanns von Kapernaum als leuchtendes Beispiel vor uns hingestellt. Sein Glaube leuchtet allerdings so sehr, dass wir uns vergleichsweise wie kleine Glaubenslichtlein empfinden müssen.

Diese Wirkung war von Matthäus, der uns die Geschichte aufgeschrieben hat, durchaus beabsichtigt. Ein bisschen Polemik hatte Matthäus wohl auch im Sinn - gegen diejenigen damals in Israel, die nicht daran zu glauben vermochten, dass in Jesus der Christus, der erwartete Messias, der Sohn Gottes gekommen sei. 

Es gab Menschen, die glaubten an Jesus. Und es gab Menschen, die glaubten nicht an Jesus. Der Hauptmann von Kapernaum war Römer. Was Matthäus hier sagen will, ist dies: „Guckt mal: Der Ausländer, der Heide, der, der eigentlich einen ganz anderen Glauben hat, der an die vielen römischen Götter glaubt, der hat das Göttliche in Jesus erkannt. Und ihr aus Israel, ihr tut euch so schwer, in Jesus den Sohn Gottes wahrzunehmen.“

Es ist in dieser Geschichte also noch ein bisschen von der Kampfessituation zur Zeit der Entstehung des christlichen Glaubens enthalten. Den polemischen Anteil unseres Textes müssen wir jetzt nicht vertiefen. Wir können es belassen bei der Einsicht, die im Volksmund etwas überspitzt so ausgedrückt ist: „Der Prophet gilt nichts in seinem eigenen Land.“

Auch wir sind - wie der Hauptmann - nicht aus Israel. Was bedeutet Jesus für uns? Bedeutet er uns überhaupt etwas? „Ja“, müssen wir wohl sagen, sonst würden wir hier wohl nicht sitzen. Glauben wir an ihn? „Ja.“ Was bedeutet es, an ihn zu glauben? Sind auch Zweifel erlaubt?

Es geht in unserer heutigen Glaubensgeschichte auch um das Thema Krankheit: Krankheit und Glaube. Damals gab es keine Ärzte in unserem heutigen Sinne. Wer krank war, ging zum Priester. Sehr verbreitet war nämlich der Glaube, dass Krankheit eine Strafe Gottes sei. Also ging man zu dem, der von Berufs wegen mit der Beziehung zu Gott zu tun hatte. Und bei ihm, dem Priester, ging es hinsichtlich der Heilung um die Frage, wie die gestörte Gottesbeziehung wieder in Ordnung zu kriegen wäre.

Vielleicht hatte der Kranke gegen irgendein Gebot verstoßen. Dann musste dafür vielleicht ein Ausgleich geschaffen werden in Form guter Taten oder in der Gestalt von Opfern.

Uns mag solches Denken fremd erscheinen. So fremd ist es uns aber nicht. Auch wir fragen uns manchmal spontan: „Womit habe ich das verdient?“ 

Es steht außer Frage, dass eine Krankheit auch mit eigenem Fehlverhalten zu tun haben kann, dass wir also selbst Schuld daran haben können, dass wir krank sind. Es macht von daher auch Sinn, sich diesbezüglich kritisch zu befragen. Es ist auch für unsere ganze Gesellschaft gut, dass wir unseren eigenen Anteil an den Ursachen von Krankheit prüfen und Abhilfe schaffen und Vorsorge treffen und unsere Lebensweise entsprechend ändern, um Krankheiten vorzubeugen.

Aber es gibt auch etliche Krankheiten, für die der einzelne Kranke wirklich nichts kann. Wenn ihm dann dennoch, wie damals z. B. Hiob, gesagt wird: „Du hast selbst Schuld. Irgendwas wirst du wohl angestellt haben, dass Gott dich mit dieser Krankheit straft!“, dann kann das sehr unbarmherzig sein und es kann vielleicht auch dazu führen, dass dem Betreffenden nur halbherzig oder gar nicht geholfen wird. 

Jesus hat das Konzept von der Krankheit als Strafe Gottes nicht geteilt. Er hat Krankheit ganz anders verstanden und einen ganz anderen Umgang mit Krankheit empfohlen und praktiziert. 

Für ihn waren Kranke Menschen, die der besonderen Barmherzigkeit und besonders liebevoller Zuwendung bedürfen. Und besonders liebevoll hat er sich Kranken zugewandt.

An dieser Stelle wird wohl schon deutlich, dass der Glaube Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Krankheit haben kann. Der Glaube, dass Krankheit eine Strafe Gottes sei, kann für den Kranken tödlich sein, wenn ihm in seiner Not nicht ordentlich geholfen wird, weil er ja selbst Schuld habe. Der Glaube aber daran, dass Krankheit eine Herausforderung ist, sich dem Kranken besonders liebevoll zuzuwenden, ist die beste Voraussetzung dafür, dass alles unternommen wird, den Kranken wieder gesund zu machen. 

Das ist das eine. Der Glaube spielt aber noch ein weitere Rolle - hinsichtlich der Frage nämlich: Glauben wir im Falle einer schweren Krankheit überhaupt daran, dass ein Kranker gesund werden kann? Wenn wir z. B. nur an uns selbst glauben, wenn wir nur an die medizinische Kunst glauben, wenn wir nur an das Menschenmögliche glauben, dann kann auch das für einen Kranken das Todesurteil sein. 

Sie haben bei irgendeiner Gelegenheit vielleicht die Losung für das Jahr 2009 gehört - die ist in diesem Zusammenhang nämlich sehr aussagekräftig - aus Lk 18,27: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ Der Glaube an diese Aussage kann lebensrettend sein: Wenn wir nämlich auch dann noch an Heilung glauben, wenn wir mit unserem eigenen Latein am Ende sind und nach menschlichem Ermessen nichts mehr zu retten ist. 

Zum Glauben gehört die Bescheidenheit, die Einsicht in die menschlichen Grenzen. Zum Glauben gehört der Glaube an das Wunder. Wunder sind nicht etwas so Sonderbares wie manche denken. Das ganze Leben ist ein Wunder, die ganze Schöpfung ist ein Wunder, und jedes kleine Detail der Schöpfung ist ein letztlich unbegreifliches Wunder. Wir tendieren in der Folge der Wissenschaft dazu zu glauben, dass nur das möglich ist, was wir verstehen. Aber unser Verstehen ist sehr begrenzt. Die Möglichkeiten des Schöpfers sind dagegen geradezu grenzenlos. 

Es ist vernünftig daran zu glauben, dass das Undenkbare geschehen kann, dass Unglaubliches Wirklichkeit werden kann. Es ist vernünftig, an der Hoffnung festzuhalten und einen Kranken nicht vorzeitig aufzugeben. 

Im Konkreten geht es hier um schwierige Fragen und schwierige Entscheidungen. Im Grundsätzlichen ist unser Glaube dabei von grundlegender und lebenswichtiger Bedeutung: Glauben wir nur an uns und unsere begrenzten Möglichkeiten oder glauben wir auch an Gott und seine höhere Macht?

Nun ist noch ein Drittes hinzuzufügen. Es geht ja auch um Jesus, um Jesus Christus. Warum gerade er? Er hat uns die Augen geöffnet, er hat uns beschenkt mit seiner ganzen Art, nämlich die Liebe zu leben, für die Liebe zu sterben, mit der Kraft der Liebe den Tod zu besiegen. Gott straft uns nicht. Gott hilft uns, das Leben zu bestehen mit all seinen Schwierigkeiten und Belastungen, mit Krankheit, Einsamkeit, Versagen, Schuld, Enttäuschung. 

Jesus war damals - und ist es weiterhin heute - ein ganz großes Geschenk, ein göttliches Geschenk an uns Menschen. Manche waren darüber erfreut und nahmen es dankbar an. Andere wussten damit nichts anzufangen, waren irritiert und wiesen es zurück. Schade!

Es lohnt sich aber - und das ist unser aller Aufgabe, mit dazu beizutragen, dass der Glaube an Jesus als den Christus den Menschen immer wieder nahegebracht wird als ein ganz wunderbares Angebot Gottes, sich lieben zu lassen und sich zur Liebe berufen zu lassen, Barmherzigkeit anzunehmen und sich zur Barmherzigkeit berufen zu lassen.

Christus, recht verstanden und recht geglaubt, kann uns und unsere Gesellschaft und unsere Welt um einiges menschlicher und friedvoller machen. 

Die Worte des Glaubens fallen immer mal wieder - manchmal ganz überraschend - auf fruchtbaren Boden. Jesus war selbst erstaunt über den Glauben des römischen Hauptmanns in Kapernaum.

Der Glaube an Jesus als den Christus, den Heiland, hat das Kind des Hauptmanns gesund gemacht. Wie, das steht hier nicht. Aber wir haben es ja gehört: Der Glaube kann entscheidend dafür sein, ob ein Mensch wieder gesund wird oder nicht.

Mögen viele Menschen zum Glauben finden - sich selbst und uns allen zum Wohl und zur Ehre Gottes.

(Predigt in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 25. Januar 2009)

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