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Sonntag nach Epiphanias (7.1.24)


Das Geheimnis wird Mensch

6. Januar 2008

Epiphanias

2. Korinther 4,3-6


In dem Predigttext für den heutigen Sonntag Epiphanias ist die Rede von den „Ungläubigen, die verlorengehen“ werden. Diese Aussage ist nicht unproblematisch. Denn der christliche Glaube ist keine einfache Sache. Diejenigen als Ungläubige verloren zu geben, die sich mit dem christlichen Glauben schwertun, die dazu keinen Zugang finden, denen das alles nicht einleuchtet, ist nicht gut. 

Es ist keine Schande, nicht glauben zu können. Es ist umgekehrt vielmehr eine Gnade, glauben zu können. Das sagt Paulus an anderen Stellen immer wieder. Wem diese Gnade nicht gegeben ist, dem gebührt ein gewisses Maß an Barmherzigkeit und Geduld. Wir haben im Übrigen alle mal Zeiten, in denen wir glaubensschwach sind, Zeiten der Unsicherheit, des Zweifels, Zeiten vielleicht sogar, in denen wir sagen: Ich kann nicht mehr glauben, ich kann nicht mehr daran glauben, dass es einen „lieben“ Gott gibt.

Worum geht es überhaupt im christlichen Glauben? Wir haben heute den Sonntag Epiphanias, das Fest der Erscheinung. Welcher Erscheinung? Es geht um die Erscheinung Gottes in einem Menschen, in Jesus, der in Bethlehem geboren wurde.

Gott erscheint als Mensch. Gott wird Mensch. Das zu verstehen ist nicht leicht. Das Reden von Gott überhaupt ist schon schwierig genug.

Was meinen wir, wenn wir von Gott reden? Unser heutiger Predigtabschnitt gibt hierzu einen Hinweis. Da ist die Rede von „Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis soll Licht leuchten!“ Hier meint Paulus Gott, den Schöpfer. Er nimmt Bezug auf die ersten Worte der Bibel. Da geht es um die Erschaffung der Welt. Da heißt es: „Gott sprach: Es werde Licht – und es wurde Licht.“

Jetzt mag der eine oder andere sagen: „So ist die Welt nicht entstanden. Sie ist nicht durch ein Wort entstanden. Sie ist durch den Urknall entstanden – oder was es da auch immer an wissenschaftlichen Erklärungsversuchen geben mag.“ Das hat ja auch seine Richtigkeit. Aber das andere ist eben auch richtig: Die Entstehung unserer Welt bleibt ein Geheimnis. Alle wissenschaftlichen Versuche sind nur Versuche, in Worte und Formeln zu fassen, wie alles entstanden ist und wie das alles in unserem Sein funktioniert. Es sind nur Versuche zu beschreiben und zu erklären. Mit jeder Antwort, die wir gefunden haben, tauchen zehn neue Fragen auf. Was das ganze Sein soll, warum es das alles gibt, was es gibt, welchen Sinn das alles hat, diese Frage wird uns auch die genialste wissenschaftliche Formel nicht beantworten können. 

Das Sein bleibt ein Geheimnis. Dieses Geheimnis benennen wir mit den vier Buchstaben „Gott“. Wenn wir uns fragen: „Wo ist Gott? Wo finden wir ihn? Wo erscheint er uns?“, können wir antworten: „Er ist überall, er erscheint uns in allem – in dem unendlichen gestirnten Himmel über uns, in der Natur, in jeder Stubenfliege und in jedem Molekül, in jedem kleinsten Baustein der Materie.“ 

Wenn jemand sagt: „Ich glaube nur, was ich sehe“, könnten wir sagen: „Du siehst doch jede Menge. Erkennst du darin nicht den geheimnisvollen Schöpfer?“

Dieser Schritt fällt manchem nicht leicht: im materiellen Sein Gott, den Schöpfer, wahrzunehmen. Wer aber überhaupt in der Lage ist zu staunen über das, was es in dieser Welt gibt, dem ist immerhin die Grundlage zum Glauben gegeben. Denn damit fängt der Glaube an: mit dem Staunen.

Nun geht es am heutigen Sonntag Epiphanias aber nicht um das Erscheinen Gottes in der Natur und im ganzen Sein schlechthin. Es geht um das Erscheinen Gottes in einem Menschen. 

Hier könnten wir zunächst sagen, dass die Geburt eines Menschen, eines jeden Menschen, insbesondere aber eines eigenen Kindes, für viele auch eine Gotteserfahrung ist. Denn wenn nach neun Monaten ein neues Menschenwesen da ist, erleben wir das oftmals wirklich als ein ganz großes Wunder. Der menschliche Eigenbeitrag zur Entstehung des Kindes ist zugegebenermaßen wirklich sehr gering – gemessen an dem, was wir dann nachher in Händen halten. Jedes Kind ist ein Wunder der Schöpfung, da können wir nur dankbar staunen. Das ist ja auch ein Anlass, ein Kind taufen zu lassen: Um dem geheimnisvollen Schöpfer auf diese Weise Dank zu sagen: „Danke, Gott, für das Geschenk des Lebens.“ 

Es geht am heutigen Epiphanientag aber nicht nur um das Wunder der Geburt schlechthin. Es geht nicht um das Erscheinen Gottes in einem jeden Menschen. Es geht um das Erscheinen Gottes in Jesus, dem Kind, das in Bethlehem geboren wurde, vor zweitausend Jahren. 

Dieses Kind sagt uns nicht nur: „Gott ist ein geheimnisvoller, wunderbarer Schöpfer.“ Von diesem Kind geht vielmehr zusätzlich eine Botschaft aus, die dem bloßen Sein nicht so ohne Weiteres abzulesen ist. 

Die Botschaft lautet: „Der geheimnisvolle Schöpfer allen Seins ist nicht nur ein genialer Schöpfer, er ist auch ein liebender Gott. Er liebt seine Schöpfung, er liebt alle seine Geschöpfe, er liebt den Menschen und er liebt den Menschen auch unabhängig davon, dass der Mensch selbst sich oft so lieblos verhält.“

Diese Botschaft von der voraussetzungslosen und bedingungslosen Liebe Gottes ist schon etwas sehr Spezielles. Diese Botschaft ergeht nicht als Textbeitrag an uns. Sie ist nicht bloß in einem himmlischen Schriftstück enthalten. Wir haben hier zwar ein Buch, in dem davon geschrieben ist, die Bibel. Aber in diesem Buch haben Menschen aufgeschrieben, was sie leibhaftig erlebt haben. Sie berichten von einem Menschen, der gelebt hat, der geliebt hat, der gelitten hat, der sich aufgeopfert hat um der Liebe willen und der nach seinem Tod in die menschlichen Herzen eingezogen ist und da lebendig geblieben ist – bis auf den heutigen Tag.

Die göttliche Botschaft von der Liebe ist in einem leibhaftigen Menschen an uns ergangen und zwar mit einer solchen Nachdrücklichkeit, mit einer solchen Überzeugungskraft und mit einer solchen Glaubwürdigkeit, dass Menschen, die das damals erlebt haben, gesagt haben: „In diesem Menschen ist Gott selbst erschienen.“

Das feiern wir heute: das Erscheinen Gottes in Jesus, der dann später auch Christus genannt wurde, was so viel bedeutet wie: Jesus, der König, der König der Herzen, der in unseren Herzen regieren will – durch Liebe – und der uns über unsere Herzen zu einem Leben in Liebe ermutigen will.

Um dieses Erscheinen geht es heute: „Gott erscheint in menschlicher Gestalt in Jesus Christus.“ Das ist der Kerngehalt des Weihnachtsfestes. Das haben wir am 24., 25. Dezember mit der Weihnachtsgeschichte des Lukas von der Geburt Jesu im Stall besonders gefeiert. Und das feiern wir heute mit der Geschichte von den drei Weisen aus dem Morgenland, den sog. Heiligen Drei Königen, und das feiern die mazedonisch-orthodoxen Christen heute Nachmittag und morgen in unserer Kirche.  

Wem die christliche Botschaft nun doch nicht so recht einleuchten will, wer Schwierigkeiten mit dem Verständnis und mit dem Glauben hat, den dürfen wir nicht als Ungläubigen verlorengeben, wie Paulus das in unserem Predigttext etwas problematisch formuliert. 

Wir können einfach nur wünschen und hoffen – und unser Teil dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen den Segen des Evangeliums erfahren und für sich selbst und unserer Leben miteinander nutzen können: die Botschaft, dass unser ganzes Sein von der Liebe des Schöpfers durchdrungen ist, dass wir aus seiner Liebe geboren sind und allezeit in seiner Liebe geborgen bleiben.

Das ist eine wunderbare Botschaft, ein Segen für uns und für die Welt, und zugleich ein Auftrag an uns, unser Leben in diesem Sinne zu gestalten – uns selbst und allen Menschen zum Wohl und Gott und Christus zur Ehre. 

(Predigt in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 7. Januar 2009) 

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