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Gründonnerstag (28.3.24)


Fußwaschung als Geste des Dienens

4. April 1985

Gründonnerstag

Johannes 13,1-15 


Vor seinem Tod nimmt Jesus eine Handlung vor, die die Jünger über seinen Tod hinaus mit ihm und besonders mit seiner letzten Stunde verbinden soll. Am bekanntesten ist das letzte Abendessen Jesu mit seinen Jüngern. Er bricht das Brot und reicht den Kelch herum und nennt dabei das Brot seinen Leib und den Wein sein Blut. Jesus stiftet damit ein Gedächtnismahl, ein Mahl zum Gedenken seines Todes.

Der Evangelist Johannes lässt Jesus eine andere Handlung vornehmen: die Fußwaschung. Dies ist ein Ritus, der in unseren Breiten unbekannt ist und unbekannt war. Dort in der heißen und trockenen Gegend hatte die Fußwaschung ihren Sinn und Zweck. Wer durch den heißen und trockenen Staub zu Fuß gelaufen war und mit müden Füßen das Haus betrat, der war für eine Kühlung und Erfrischung seiner Füße dankbar. Man stellte dem Gast eine Schüssel Wasser hin oder man wusch ihm die Füße. Das war gewiss keine Arbeit für den Hausherrn, auch nicht für die Hausfrau. Das war etwas für die Bediensteten des Hauses. Das war eine Dienstleistung niederen Ranges. 

Jesus nimmt die Fußwaschung am letzten Abend, den er mit seinen Jüngern verbringt, selbst vor. Damit wollte er etwas aussagen. Die Fußwaschung sollte ein Zeichen sein. Jesus nahm sie beim Abendessen vor. Ein Jünger nach dem anderen kommt an die Reihe. Erst als Petrus dran ist, spricht dieser aus, was die anderen vielleicht gedacht haben: „Herr, du wäschst mir die Füße?!“ Und man müsste hinzufügen: Dies ist doch eine Handlung für Diener und Sklaven, aber doch nicht für einen Herrn wie dich. Wenn, dann müsste doch eher ich dir die Füße waschen!

Petrus reagiert ganz menschlich, eigentlich sympathisch menschlich-naiv. Er denkt, wie wohl die anderen Jünger auch, ganz in den Bahnen der gewohnten Lebensordnung, der herkömmlichen Tradition und hat noch nicht begriffen, dass Jesus diese Tradition benutzt und sie auf den Kopf stellt, um seine ganz andere – die traditionellen Vorstellungen durchbrechende – Art zeichenhaft auszudrücken. Jesus verhält sich unkonventionell, und das nicht aus Gründen der Extravaganz, sondern aus zutiefst menschlichen Gründen. Indem er die Fußwaschung vornimmt, will er zugleich seine Jünger zu der Haltung ermuntern, die er hier beispielhaft vorführt. 

Worum geht es Jesus? Er selbst gibt die Erläuterung: „Ihr nennt mich Meister und Herr! Und Recht habt ihr damit. Denn ich bin euer Meister und Herr. Wenn ich euch die Füße wasche, so tue ich das, damit ihr euch einander die Füße wascht.“ Und das soll heißen, dass einer des anderen Diener sei, dass sich niemand über den anderen erhebe, dass sich niemand zu fein sei, anderen mit Hilfsdiensten zur Verfügung zu stehen.

Jesus verleugnet nicht seine besondere, über die anderen weit erhabene Position. Er bleibt ihr Herr und Meister. Aber er verbindet mit dieser Position keinen Machtanspruch, keine Privilegien, wie wir dies aus unserem täglichen Leben gewohnt sind. Seine besondere Stellung versteht er als besondere Befähigung, den ihm anbefohlenen Menschen zu Diensten zu sein. Und so sollen auch die Jünger sich selbst und ihre Aufgabe verstehen. Auch wenn es unter ihnen unterschiedliche Positionen geben sollte, so sollen sie daraus keinen Anspruch herleiten, übereinander zu herrschen. Sie sollen einander dienen.

Wenn Jesus bei dem letzten Beisammensein mit seinen Jüngern diesen Auftrag erteilt, so dürfen wir wohl annehmen, dass es ihm hier um ein zentrales Anliegen geht. Und so ist es ganz gewiss.

Jesus hat nicht für sich selbst gelebt. Und es wäre doch undankbar, wenn wir nur für uns leben wollten. Er hat nicht um seiner Interessen willen gelitten. Es wäre doch undankbar, wenn wir Probleme und Schwierigkeiten nur auf uns zu nehmen bereit wären, sofern es letztlich um unseren eigenen Vorteil dabei ginge.

Jesus Christus hat für uns gelebt, für uns gelitten, ist für uns gestorben. Das sollen wir zunächst einmal für uns in Anspruch nehmen und uns selbst daran aufrichten. Aber dann sollen wir unsere Dankbarkeit auch dadurch erweisen, dass wir ihm in seiner Art nacheifern und nachfolgen auf dem Weg des Dienens, auch dann, wenn dies ein schwerer Weg sein mag.

Die Fußwaschung hat sich in unserer Kirche als liturgische Handlung nicht durchgesetzt. Sie ist aber immer wieder zu besonderen Gelegenheiten als rituelle Handlung vorgenommen worden.

Wir feiern stattdessen das heilige Abendmahl. Auch hiermit kommt Jesu Dienst an uns – in noch stärkerer Weise – zum Ausdruck. Auch hier gilt: Was Jesus an uns getan hat, das sollen wir dankbar annehmen. Aber wir sollen auch danken durch unser ganzes Leben, indem wir füreinander da sind, so, wie er für uns da war. 

(Predigt in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 4. April 2004) 

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