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21.-27.1.2024


Einladende Gemeinde!

Lukas 13,29


Dieses Wort kommt in den Evangelien in ähnlicher Form mehrfach vor, und zwar jeweils in einem etwas polemischen Zusammenhang, der sich salopp etwa so formulieren lässt: „Aus allen Himmelsrichtungen strömen sie herbei, um am Reich Gottes Anteil zu haben, nur ihr zuhause interessiert euch für das Reich Gottes nicht.“ Oder, um es mit dem im Lukasevangelium als Wort Jesu überlieferten Spruch zu sagen: „Ein Prophet gilt nichts in seinem eigenen Land.“ 

Ich möchte diese antijüdische Polemik nicht aufgreifen, sondern die positive Aussage unterstreichen, die im Grunde eine wunderbare Vision darstellt: „Wie schön wäre es, wenn  Menschen tatsächlich aus allen Himmelsrichtungen dahin strömen würden, wo das Wort Gottes verkündigt wird, wo es gelebt wird, wo am Reich Gottes gebaut wird!“ 

1993 ist wieder ein Jahr des Kirchentages. Er findet in diesem Jahr in München statt unter dem Thema: „Nehmt einander an!“ Der Kirchentag hat für viele, vor allem jüngere Menschen, immerhin diese Anziehungskraft: dass sie herbeiströmen von überall her, um etwas zu hören vom Evangelium, etwas zu erleben von der Gemeinschaft unter Christen und dem Engagement zugunsten einer besseren Welt und nicht zuletzt auch, um gemeinsam das Abendmahl zu feiern als einem Vorgeschmack auf das Reich Gottes.

1981 war Kirchentag in Hamburg. Damals war gerade dieser Satz aus dem Lukasevangelium, der unser augenblicklicher Wochenspruch ist, oft zu hören, weil er in einem schönen Kanon vertont war.

Mit Blick auf unsere alltägliche Situation in der Kirche kann uns der Wochenspruch u. a. auch zu denken geben unter der Fragestellung: „Wie ist bei uns das Verhältnis zwischen den Insidern und den Outsidern?“ Diese Frage hat viele Aspekte. Sie betrifft das Verhältnis zwischen den Wohlsituierten und den Randgruppen der Gesellschaft, zwischen den Inländern und den Ausländern, zwischen den Kirchenmitgliedern und den Nichtmitgliedern, aber auch zwischen der Kerngemeinde und denen, die gern der Gemeinde angehören möchten, aber nicht so recht wissen, wie sie den Schritt hinein tun können. 

Vor einigen Tagen sagte mir eine junge Dame, die sich gern unserer Gemeinde anschließen möchte: „Es ist gar nicht leicht, in Ihre Gemeinde reinzukommen.“ Das hatte mich etwas verblüfft. Aber ist es nicht in der Tat so, dass wir außerhalb des Gottesdienstes nur wenige Möglichkeiten anbieten, sich unserer Gemeinde „unauffällig“ zu nähern. 

An diesem Punkt könnten wir uns vielleicht noch etwas einfallen lassen. Vielleicht gibt es doch mehr Menschen, als wir zunächst meinen, die im Sinne unseres Wochenspruches herbei- und hineinströmen möchten, wenn ihnen nur die Eintrittsmöglichkeiten sichtbarer und einladender - mit niedrigerer Hemmschwelle - eröffnet würden.

(Morgenandacht von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, am 26.1.1993)


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